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Künstliche Intelligenz zur Bestimmung der Rutschhemmungsklasse verlegter elastischer Bodenbeläge

IGF 21357 N

Von den Stolper-, Rutsch und Sturzunfällen in Deutschland treten etwa 45 % beim Gehen auf ebenen Flächen auf. Im Falle eines Unfalls wird dabei häufig behauptet, dass nicht-sachgerechte Reinigung und Pflege die Unfallursache sei, wobei oft sämtliche Schadensersatzansprüche direkt an den Gebäudereiniger weitergegeben werden.

Die Bewertung der rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen erfolgt dabei mittels eines international einmaligen Klassifizierungssystems in Rutschhemmungsklassen (sog. R-Klassen).

Diese Klassifizierung kann gegenwärtig nur mittels eines stationären Prüfverfahrens, dem Begehungsverfahren „Schiefe Ebene“, im Labor erfolgen.

Hierbei wird der zu untersuchende Bodenbelag auf einer schiefen Ebene von einer Prüfperson mit einem speziellen Prüfschuh bei sukzessiver Erhöhung des Neigungswinkels begangen, bis es zum Ausrutschen kommt.

Der so ermittelte Akzeptanzwinkel wird nach DIN 51130 mit einer Rutschhemmklasse korreliert.

Nachteil dieses Verfahrens ist, dass eine zerstörungsfreie Untersuchung von verlegten Bodenbelägen vor Ort nicht möglich ist. Mobile Prüfverfahren, wie beispielsweise mittels Gleitreibungsmessgeräten, erfassen nur Teilaspekte des komplexen Vorgangs des Rutschens und vernachlässigen die dynamische Schrittkinematik des Menschen.

Schrittsimulatoren versuchen diese abzubilden, werden jedoch aufgrund ihrer Größe und Komplexität nur im Labormaßstab eingesetzt. Zudem sind diese Methoden zeitaufwändig und personalintensiv.

Ziel dieses Projektes war daher die Entwicklung eines automatisierten, zerstörungsfreien Verfahrens zur Vor-Ort-Bestimmung der Rutschhemmungsklasse elastischer Bodenbeläge.

Das Messverfahren wurde unter Einsatz künstlicher Intelligenz realisiert, welche die R-Klasse der elastischen Bodenbeläge anhand von Messkurvenprofilen der charakteristischen Kenngrößen Elastoplastizität, Reibung und Oberflächenrauheit unter Berücksichtigung mechanischen Abriebs vorhersagt.

Unter den angewandten Laboruntersuchungsbedingungen zeigten Temperatur und rel. Luftfeuchte keinen signifikanten Einfluss auf die R-Klasseneinstufung.

Das verwendete Künstliche Neuronale Netzwerk Multilayer Perceptron (MLP) zur Vorhersage der R-Klasse elastischer Bodenbeläge wurde mithilfe der Programmiersprache Python und Open-Source-Entwicklungswerkzeugen trainiert.

Die Validierungsergebnisse von 23 unterschiedlichen Bodenbelägen zeigten, dass die KI in der Lage ist, die Akzeptanzwinkel verschiedener Bodenbeläge mit einem Vorhersagebereich von etwa 3° genau vorherzusagen.

Die entwickelte Messeinheit KIMM (Funktionsmuster) besteht aus einem Gehäuse, das auf den Bodenbelag feststehend aufgesetzt wird, und in das Sensoren zur Messung der Kenngrößen integriert sind. Eine Mikroprozessoreinheit steuert die Messungen und zeichnet die Ergebnisse auf.

Als Sensoren wurden ein Kraftsensor (stationäre Messung, vertikale Bewegung bezogen auf Bodenbelag) zur Bestimmung der Elastoplastizität (Messung von Druckkraft und Entlastung), ein Laser-Distanz-Sensor zur Messung der Rauheit (horizontale Bewegung bezogen auf Bodenbelag) und ein Kraftsensor (horizontale Bewegung bezogen auf Bodenbelag) zur Messung der Gleitreibungskraft eingebaut.

Nach Weiterentwicklung der mobilen Messeinheit KIMM auf Basis der Ergebnisse wird diese in der Lage sein, aussagekräftige und valide Daten zu generieren. Dies wurde durch einen Vergleich der vorhergesagten und tatsächlichen Akzeptanzwerte der Bodenbeläge bestätigt.

Der Forschungsbericht ist auf Anfrage bei FRT erhältlich.

Das IGF-Pro­jekt 21357 N der For­schungs­ver­ei­ni­gun­g Eu­ro­päi­sche For­schungs­ge­mein­schaft Rei­ni­gungs- und Hy­gie­ne­tech­no­lo­gie e.V., Cam­pus Fich­ten­hain 11, 47807 Kre­feld, wurde im Rah­men des Pro­gramms zur För­de­rung der in­dus­tri­el­len Ge­mein­schafts­for­schung und -ent­wick­lung (IGF) vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz auf­grund eines Be­schlus­ses des Deut­schen Bun­des­ta­ges ge­för­dert.